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Gegen deutsche Kriege

7. Februar 2009 6 07 /02 /Februar /2009 09:41

Siggi, so kam es Klara vor, entfernte sich immer mehr von ihr. Wie selten war er jetzt abends zu Hause. Wenn sie nur wüsste, was er so trieb in der Nacht. Etwas sagte ihr, dass er in Schiebereien mit den Amerikanern verwickelt war. Aber er schwieg, der Dummkopf. Alle machten das heutzutage. Wenn bloß Otto davon nichts erführe. Der machte sich auch schon so seine Gedanken. Eines Tages würde er dahinterkommen. Und dann, o Gott, den Rabatz, der dann folgen würde, wollte sie sich nicht vorstellen. Wenn Siggi nachts nach Hause kam, wurde sie wach, aber sie verriet den Jungen nicht an den Vater.

Dabei war Siggi herzkrank, er hatte einen angeborenen Herzklappenfehler. Der hatte ihn auch vor der Hitlerjugend bewahrt, zu Ottos großer Genugtuung. Nicht auszudenken, wenn Siggi eines Tages in HJ-Uniform von der Schule nach Hause gekommen wäre. Wo Otto doch heimlicher Sozialdemokrat war, auch noch in der Hitlerzeit. Das Ebert-Bild hing wieder in der Stube wie damals, in den Weimarer Jahren. Otto hatte es im Kohlenkeller versteckt gehabt.

Der Junge wird eben erwachsen, sagte sie sich, und wenn er am Küchentisch saß, über seine Schularbeiten gebeugt, kam er ihr manchmal wie ein Fremder vor. Sie sah kommen, was kommen musste: Eines Tages würde er mit einer Freundin vor der Tür stehen, und wenn er erst studierte, die Humboldt-Universität hatte den Lehrbetrieb schon aufgenommen, würde er nur noch selten zu Hause sein.

Siggi war das Nesthäkchen, ein Nachzügler. Nach dem Abort. Von ihm wurde in der Familie nicht gesprochen, die Sache damals war unmoralisch und unchristlich, aber nötig. Otto war schon das zweite Jahr arbeitslos gewesen, die Familie lebte vom Stempelgeld und Ottos strammem Regiment über die Haushaltskasse. Wovon hätten sie noch ein Kind ernähren können? Rita kostete so schon genug. Der Arzt, als er von der Abtreibung erfuhr, hatte bedenklich den Kopf geschüttelt. „Frau Neuss, niemand kann wissen, wie es einmal kommt. Und wenn Ihr Mann nun einen Stammhalter will? Und Sie werden nicht mehr schwanger?" Klara hatte auf Gott vertraut, und dann war das Erhoffte doch noch eingetreten, ihr Beten und das Kraut von der Kastnern hatten dem Siggi zum Leben verholfen.

Siggi, wenn Otto unterwegs war, übernahm das Regiment im Hause. Er kujonierte die arme Jo. „Sag Onkel", forderte er mit strenger Miene, „Onkel Siegfried. Wird’s bald?" Jo, die nicht glauben konnte, dass der Halbwüchsige auf dem Schemel vor ihr, den alle nur Siggi riefen, ein Onkel sein könnte, stammelte eingeschüchtert: „Du siehst nicht aus wie ein Onkel. Nicht wie Onkel Leo. Der ist ein richtiger Onkel." Siggi richtete sich auf, schob den Pulloverärmel zurück und zeigte Jo seine Muskeln. „Genügt dir das? Na, bin ich nun ein Onkel oder nicht?" Jo überlegte. „Bist du dann ein richtiger Onkel, wenn ich Onkel Siggi sage?" So viel Frechheit von der Göre musste sich Siggi nicht gefallen lassen. „Sag Onkel Siegfried. Oder es knallt!" Jo begann zu weinen. Unter Tränen flüsterte sie: „Onkel Siegfried." Plötzlich flammten ihre Augen auf. „Und ich sag doch nicht Onkel zu dir. Du bist Siggi!" Sie stampfte mit dem Fuß auf. „Du bist ein richtig Doofer! Siggi! Siggi!"

Klara mischte sich ein. „Siggi, schikanier mir das Kind nicht! Sonst gibt’s was aus der Armenkasse! Und wenn du noch so dicke tust! Und du, Jo, stampf nicht mit dem Fuß auf. Das machen nur die Soldaten. Und Militär, davon hab ich die Nase voll. Merk’s dir!" Schmollend, weil die Oma sie gerügt hatte, zog Jo sich auf den Kohlenkasten zurück.

Ein andermal kam Siggi in die Küche, Jo saß malend auf dem Kohlenkasten. „Zeig mal deine Hände!" Gehorsam streckte Jo die Hände aus. „Was ist das? Abgeknabberte Fingernägel? Und so was will mal eine Dame werden!" Jo war eingeschnappt. „Ich will gar keine Dame werden. Ich will Malerin werden. Und dann male ich dich – so." Schnell kritzelte sie ein Strichmännchen mit einer langen Nase. Und kühn fügte sie hinzu: „Aber erst, wenn ich größer bin als du. Siggi." Frechheit! Siggi verschlug es die Sprache.

 

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