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marbach Germanistik im Netz - Virtuelle Fachbibliothek Germanistik  

Gegen deutsche Kriege

22. September 2008 1 22 /09 /September /2008 05:46

Ein irrer Gedanke. Ich bin machtlos gegen ihn. Vielleicht ist es nur die Faszination des Unerlaubten. Was ist uns in dieser Welt schon verboten? So gut wie nichts. Wir müssen uns nicht einschränken. Weder per Gesetz noch, weil wir uns etwas, was andere gedurft oder gekonnt hätten, nicht leisten können. Das gibt es schon lange nicht mehr. Um so mehr zieht mich die Kapsel in ihren Bann, mit der mehr möglich ist als das, was wir bisher getan haben.

Ich habe sie schon benutzt, bin hinein gegangen, habe – genüsslich den Countdown abwartend – in einem der Schleudersessel Platz genommen, war in die Zukunft gereist und hatte den Gentransmitter mitgebracht. Seitdem bin ich ein Held, und alle wollen so reisen wie ich.

Ich aber leide Qualen. In meinen Träumen sehe ich mich auf der Kommandobrücke eines vorzeitlichen Schiffes stehen, die Hand an einem Hebel. Ich weiß, der Hebel ließe sich nach rechts und nach links herum reißen, aber ich darf die Kraft meiner Arme nur nach rechts nutzen. Ich will anders herum. Ich darf nicht. Jede Nacht, vielleicht alle zwei Stunden wache ich durch eine gewaltige Erschütterung auf und den Schrei „Wir sinken!“

Natürlich habe ich während meiner Ausbildung zum Temp-Pilot Lektionen über die Gefahren von Reisen in die Vergangenheit und das Gorginsche Absurdum gehört. Aber eigentlich hat mich die Theorie noch nie sonderlich interessiert – höchstens als Aufforderung, ihre Mängel zu beweisen.

Warum habe ich dich damals abfliegen lassen? Auf mich hättest du gehört! Ich weiß, ich habe mich nach deinem Unfall verändert, ganz unmerklich meine Unbekümmertheit verloren, die mir das Leben davor so leicht gemacht hat. Obwohl ich es keinem Menschen eingestanden hätte, um keinen Preis der Welt, ich fühle mich schuldig. Ich trage schwer an dem Wissen, dass außer dir ein halb fertiges Menschlein mit meinen Genen in unauffindbare Spuren zerfallen ist. Es gehört sich nicht, und so schreie ich jeden Morgen neu mein Spiegelbild an: „Ich bin kein Egoist!“

Dann ist es so weit. Wie neu programmiert gehe ich los. Die Koordinaten von Zeit und Raum, wo ich jenes berüchtigte „Aber natürlich freu ich mich mit dir. Fahr nur ...“ sagte, habe ich wieder und wieder überprüft. Und ich weiß inzwischen auch einen ganz einfachen Weg, dorthin zu kommen.

Ich habe ein getränktes Tuch bei mir. Ansonsten ist alles wie immer. Die Identitytests, die Tore. Die Tür der Kapsel ... Nur dass ich diesmal Janna vor der automatischen Verriegelung der Kapseltür zurufe, dass mir was Tolles für sie eingefallen sei.

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21. September 2008 7 21 /09 /September /2008 05:46
 Und es ist so verrückt, und ich weiß nicht genau,
und ich weiß es doch schon, dass ich bald um mich hau.

Und es hat keinen Sinn und es trifft immer zu,
hätt ich alle im Sack, schlüg ich drauf und hätt Ruh.

Und zurück in die Welt und so alt wie ich bin,
noch was sagen, noch was schreiben, hat das alles Sinn?

Und es ist so verrückt, und ich weiß ganz genau,
denn ob Sinn oder nicht, ich weiß jetzt, ich hau.
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20. September 2008 6 20 /09 /September /2008 05:23

 Das Geschehen auf der Bühne deutete noch nicht auf einen Schluß hin. Das Mädchen sah sich einen Moment wie gelangweilt um. Sie tat, als nähme sie Roland nicht wahr, vor allem nicht, daß er ihr gefolgt war. Aber sie registrierte den sich schwärzenden Himmel. Sie schien einen Moment zu überlegen. Dann sprang sie kurz entschlossen auf und schlängelte sich zwischen hinten lockerer zusammen stehenden Teilnehmern hindurch. Es waren Sekunden, da hatte Roland für sich entschieden, daß er eine blamable Abfuhr in Kauf nähme für die Chance, daß dieses Mädchen seines werden konnte. Also sprang er gleichfalls auf und setzte ihr nach.

Die Zigeunerin war hinter einem Paar verschwunden. Wahrscheinlich strebte sie auf die Baumgruppe am Rand des Platzes zu, wo sie erst einmal Schutz vor dem Regen finden konnte. Oder sie suchte einen Fluchtweg in eine Bahn. In der Nähe gab es sowohl Haltestellen für Straßen-, U-, oder S-Bahnen. Ein Platzregen würde ihre Unterwäsche blitzschnell erkältungsreif durchbeuchten. Von Rolands geplantem Angebot konnte sie ja nichts wissen oder sie wollte es nicht.

Roland stieß mit einem Mann zusammen, der in die durch das Mädchen gerissene Lücke aufrücken wollte. Als er ein bißchen bessere Sicht hatte, war die Zigeunerin verschwunden. Sie konnte noch hinter irgendwelchen Kundgebungsteilnehmern verborgen stehen – dann wäre sie nur vor seiner möglichen Belästigung geflohen – oder sie hatte die Baumgruppe oder die Kreuzung erreicht. Dann...

... fielen die ersten Tropfen. Sie fielen sofort bedrohlich geschoßartig. Unwillig spannte Roland seinen Schirm auf. Am liebsten hätte er gebrüllt „Ich kann dich schützen!“, aber wen sollte er rufen und in welche Richtung. Hätte der Guß nicht zwei Minuten früher beginnen können? Roland kam sein Schirm nun fast sinnlos vor, obwohl es jetzt mit Wucht darauf pladderte. Eine richtige NATO-Wolke hatte sich geöffnet.

Normalerweise hätte eine Panikflucht einsetzen müssen. Roland, der wie eine Tonne Traurigkeit unschlüssig im Fluchtweg herumstand, wäre niedergetrampelt worden. Doch obwohl viele ungeschützt von den himmlischen Wasserwerfern getroffen wurden, schien den meisten das nichts auszumachen. Durch den Lautsprecher tönte sogar eine Organisationsstimme. Sie gab die Marschordnung für den bevorstehenden Demonstrationszug bekannt. Verblüfft stellte Roland fest, daß die Leute darauf reagierten.

Eine Frau schubste ihn aus seiner Träumerei. Die war selbst in eine Regenpelerine gehüllt, aber ihr schüchterner, vielleicht 15jähriger Sohn war in seiner Tageskleidung äußerlich hilflos. Den Jungen hatte die Mutter unter Rolands Schirm getrieben und ganz kurz warfen sich alle freundliche Blicke zu. Roland vielleicht weniger, denn die Enttäuschung hatte ihn so weit übermannt, daß er nur noch nach Hause wollte. Plötzlich zwang ihm sein Schirm die Verantwortung für einen anderen Teilnehmer auf. Sonderlich groß war der Schirm nicht; der Junge mußte also nahe an Roland heranrücken, wenn er nicht naß werden wollte; Roland aber war nur darauf aus, ein ganz bestimmtes Mädchen zum Näherrücken zu ermuntern.

Ein Stück riß die Demo die drei Zwangsgefährten mit sich. Rolands Augen flackerten noch immer suchend umher. Allerdings fürchtete er jetzt fast, SIE zu entdecken. Denn er konnte den fremden Jungen ja nicht plötzlich unbeschirmt im Regen stehen lassen, und sie hatte entweder einen anderen Schutz gefunden oder war so naß, daß Rolands Schirm nichts mehr retten konnte.

Endlich schoben die Demonstranten Roland unter die S-Bahn-Brücke Hackescher Markt. Hier konnte er die anderen an sich vorbeimarschieren lassen. Im Trockenen, auch ohne Schirm. Der Mutter erklärte er fast wahrheitsgemäß, daß er in dem Zug jemanden suche. Als Roland Minuten später in Richtung Mutter und Sohn sah, waren sie verschwunden. Roland begeisterten die Trommler, die in ihrer Nähe trotz des Regens eine tolle Stimmung verbreiteten. Er schätzte den Zug auf 2500 Unerschrockene, die sich ihre Stimmung nicht hatten vermiesen lassen. Natürlich entdeckte er sie nicht. Nun wollte er sich nur noch unauffällig zurückziehen.

Während Roland trotz seiner vielen Hüllen fröstelnd in der S-Bahn saß, war ihm eines klar: Immer, wenn es ihm seine Zeit erlaubte, würde er auf ähnlichen Veranstaltungen herumirren. Er würde SIE suchen. Sich wieder nicht trauen, sie anzureden. Aber vielleicht wäre es einmal so weit: Dann wäre sie da, allein, und er, sein Schirm und ihr fehlender Schirm und der Regen, der Regen begänne im richtigen Moment.

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19. September 2008 5 19 /09 /September /2008 05:21

Wie spricht man ein Mädchen an, wenn vorn über den Kampf für den Frieden gesprochen wird? Roland schwankte. Sollte er ihr seine Begleitung für nachher anbieten? Oder sie gleich fragen, ob sie sich ihn als Partner für sich vorstellen könnte? Sollte er sie siezen oder duzen? Sollte er an ihrer beider wahrscheinlich ähnlichen politischen Überzeugung anknüpfen? (Wenn sie die nicht hätte, wäre sie ja nicht hier, noch dazu ohne Begleitung.) Oder sollte er etwas darüber sagen, daß er sie hübsch fand? Wenn er Glück hatte, war sie nicht oft so angemacht worden. Wenn er aber Pech hatte, dann fühlte sie sich von ihm veräppelt oder wehrte sich mit der Feststellung, daß der Eindruck nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Nein, sie wäre bestimmt eher zurückhaltend als schnippisch. Aber hatte sie bemerkt, daß er neben ihr stand, und daß er ihretwegen neben ihr stand?

All die verschiedenen Veranstalter der Kundgebung wollten ihren eigenen Redebeitrag abgeben. Anfangs waren es Redeprofis, dann kamen drei Schülerinnen, deren inhaltlich wahrscheinlich besonders berührender Beitrag mit kulturellem Anspruch verpuffte, weil sie nicht mit dem Mikrophon nicht klar kamen. So verstanden nur sie selbst sich und die, die ihnen räumlich nahe standen.

„Sie merken es nicht, verdammt! Kann euch denn keiner mit der Technik helfen? ... Nein, sie merken es nicht!“ Roland klagte halblaut, so, daß er nicht rundherum auffiel oder störte, aber seine Zigeunerin mußte hören, wie er mit dem Schicksal der jungen Rednerinnen mitfieberte. Vielleicht nahm sie ihn dadurch wahr, und es ergab sich ein Anknüpfungspunkt für ein Gespräch. Doch sie tat, als bemerkte sie ihn nicht.

Die Veranstaltung zog sich hin, und die, die nicht in Bühnennähe standen, wurden unaufmerksamer. Sie verstanden wenig. Auch die Sonne versteckte sich. Rolands Zigeunerin drehte sich zur Seite, lief ein Stück weg. Roland lief ihr nach. Ihm war es egal, ob sie das als belästigende Verfolgung auffassen würde. Sie hatte durch keinen Blick angedeutet, daß er ihr aufgefallen war. Vielleicht wollte sie jetzt wissen, ob er ihr nachlief? Wenige Meter weiter blieb sie nämlich stehen. Aber nur kurz, dann zog sie ihr Jäckchen an und hockte sich auf eine Stufe. Hier standen die Massen nicht so gedrängt. Sie hatte also nicht länger stehen wollen, und da sie wohl sowieso kaum etwas mitbekam, setzte sie sich erst einmal.   

Roland tat es ihr gleich. Er streifte seine Jacke über. Blickte nach hinten. Dort zogen sich drohende schwarze Wolken zusammen. Vielleicht war in Bodennähe der Wind nicht so stark oder die ihn umringenden anderen Kundgebungsteilnehmer blockten jedes Luftpeitschen ab. Auf jeden Fall ahnte man unten kaum, was sich oben zusammenbraute.

Roland aber hatte es gesehen. Er lächelte fast freudig erregt. Was da auf sie zu kam, war seine Chance. Das Mädchen war auf Regen nicht vorbereitet. Hätte etwas näher gelegen, als ihr einen Platz unter seinem Schirm anzubieten? Dankbar würde sie auf ihn schauen, freundlich, und ein Stück näher heranrücken. Vielleicht ergäbe sich dann ein erster Wortwechsel wie von selbst. Etwas Unverbindliches, aus dem mehr werden konnte. Lange würde der Guß nicht mehr auf sich warten lassen. Diese Gelegenheit wartete Roland ab.

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18. September 2008 4 18 /09 /September /2008 05:19

Roland war verwundert, wie viele Mädchen in diesem Demonstrationszug ihm äußerlich gefielen. Ganz unterschiedliche. Eine von ihnen anzubaggern traute er sich trotzdem nicht.

Dann schubste ihn der Zufall neben Schneewittchen. Er ahnte, er hatte sie schon einmal gesehen. Ihr Gesicht wich nur in einem Punkt von der totalen Harmonie ab: Es war zu lang gezogen, und weil das ganze Mädchen nicht sehr groß war, fiel das besonders auf. Ansonsten hätte sich Roland die ganze Zeit vor sie hinstellen mögen und sie anstarren mit einem ungläubigen Ausdruck in seinem Gesicht, ob denn so etwas möglich sein könnte. Sie war ein bißchen streng gekleidet, mit weißer Bluse und so. Das betonte aber nur dreierlei: Die Schneewittchenhaare, die braunen Riesenaugen und der rote Mund auf schneeblasser Haut. Die Begegnung war wie ein Asthmamoment, wo ihm die Luft wegblieb.

Leider war dieses Schneewittchen in Begleitung einer Freundin. Und natürlich konnte er sie nicht laufend mit Anstarren belästigen. Sie war ein Mädchen, das man fragt, ob sie einen heiraten möchte, und wenn sie nach Bedenkzeit ja sagte, dann heiratete man sie eben.

Das Problem für Roland waren die paar Worte, die er sicher vor der Heiratsfrage noch mit ihr wechseln mußte. Wahrscheinlich hatte sie ihn mit den Augenwinkeln bereits erspäht. Wahrscheinlich fand sie ihn ... alles Mögliche, aber auf jeden Fall eher häßlich und alt als zu ihr passend. Da sah er besser wenigstens vorübergehend in eine andere Richtung. Daß sie danach in der Menge verschwunden war, störte Roland wenig. Er wußte, dieses Gesicht würde ihm in seinen Träumen erhalten bleiben und am Samstag konnte er sie anreden, daß man sich schon wieder begegnete, zum Beispiel.

Er hatte sie nicht gefunden. Aber plötzlich stand er neben einer ganz anderen sie. Auch dunkle Haare. Auch braune Augen. Auch nicht groß. Roland konnte mit großen Mädchen sowieso nichts anfangen. Aber das erste Empfinden, als sie seinen Blick anzog, war das Bedürfnis, für sie stark zu sein. Sie belebte den Traum seiner kindlich unschuldigsten Liebe. Damals war er sechs gewesen und auf dem langen Weg zur Schule hatte ein einsames Haus gestanden. Darin hatten Menschen gewohnt, die die Leute in der Umgebung Zigeuner genannt hatten. Eine Tochter von denen war in Rolands Klasse gegangen, und er hatte sie irgendwie märchenhaft gefunden. Sie war zart gewesen. Ihr Teint dunkel, unheimlich. Doch die Augen hatten sich schnell bewegt und irgendwie dabei gefunkelt. Roland hatte sich gern verzaubern lassen, behexen, wie welche sagten, und er hatte sich als Recke gefühlt, der jedes Ungeheuer aus fremder Welt für diese Prinzessin aus noch fremderer Welt besiegt hätte. Ja, er war gern neben ihr gelaufen, um sie zu beschützen. Er hätte sie angebetet, wenn sie das von ihm verlangt hätte. Ein Jahr später war seine Familie weggezogen. Lange danach war er ihrem Namen begegnet. Da hatte sie einen bekannten Boxer geheiratet. Der würde sie besser beschützen als er. Aber ihm, Roland, war dabei so, als würde der brutale Sportler das zarte, wunderschöne Mädchen zerquetschen.

Roland brauchte nicht mehr zu suchen. Ob ihn dieses Mädchen mögen konnte? Beinahe glücklich beobachtete er, daß sie allein gekommen war. Wenn sie einen Freund hätte, dann war er nicht an ihrer Seite und ihrer also nicht würdig. Einen kleinen inneren Kampf trug Roland mit sich aus. Wollte er nun Schneewittchen oder seine neue Zigeunerin heiraten?

Er grinste. Irgendwie war er ein echter Linker. Er wählte schon Mädchen, mit welchen er den Rest seines Lebens genießen wollte, ohne gefragt zu haben, ob sie ihn überhaupt wollten, so wie die Linken über den richtigen Weg in eine bessere Zukunft stritten, ohne Zugang zu einem einzigen zu haben.

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17. September 2008 3 17 /09 /September /2008 05:44

Er war die Treppe herunter gehüpft. Die Haustür hatte er schon geöffnet. Da blieb er plötzlich stehen. Vom Himmel grinste ihn eine mäßig wärmende Sonne an. Grübelnd sah er an sich herunter. Er trug ein T-Shirt als Unterhemd, ein verwaschenes dunkles Hemd darüber, einen Pullover und eine Übergangsjacke, die er früher einmal im Winter angezogen hatte. Jetzt war Mitte September, und selbst im Schatten war es mehr als zwölf Grad warm. Trotzdem sprang er, jeweils zwei Stufen auslassend, die Treppe wieder hoch und stürmte zurück in die Wohnung. Er überhörte den ängstlichen Ruf seiner aufgescheuchten Tochter, ob etwas los sei. „...Wenn ich schon aufräumen soll, dann in Ruhe, allein...“, und griff nach dem an seinem Platz wartenden Schirm. Den verstaute er in der Innentasche seiner Jacke, sodaß sich außen die Brust spannte. Derart gerüstet trat er wieder auf den Bürgersteig, nun vor Wärme in der Sonne triefend. Doch an der nächsten zugigen Ecke freute ihn seine Vorsicht: Wer wußte, was ihm alles bevorstand, und die Jacke konnte er ja ausziehen und über die Schulter schmeißen, sollte er sie nicht brauchen.

Roland war einsam. Er suchte Anschluß, eine Gemeinschaft Gleichgesinnter, mit denen er sich austauschen konnte, genauer, denen er etwas zu geben hatte. Hätte er den Gleichschritt gemocht, wäre er vielleicht ein Rechter geworden, aber er hatte einen sehr eigensinnigen, denkenden Kopf. Er mußte immer über das hinausdenken, was ihm gerade als der Weisheit letzter Schluß angeboten wurde. Das war schon so in seiner DDR-Jugend, und die Marktwirtschaft konnte höchstens dieser Weisheit vorletzter Schluß sein. Dummerweise hatte er so viel gelernt, daß er dies alles nicht nur spürte, okay, das auch, aber er kannte die Zusammenhänge. Er hätte anderen beim besseren Verstehen helfen können, wenn die gewollt, ja überhaupt erst einmal von ihm gewußt hätten. So waren die New Yorker Kamikazeflieger für ihn wie ein Weckerrasseln. Jetzt würden sich Gleichgesinnte versammeln, und er brauchte sich nur unter sie zu mischen, um zu ihnen zu gehören.

Eine samstägliche Großkundgebung beim Roten Rathaus war angekündigt, und Roland wollte sehen, wie groß sie werden und ob jemand Bestimmtes kommen würde.

Roland war absichtlich eine Viertelstunde zu früh auf dem Platz. Er hoffte, daß Schneewittchen zu dem harten Kern gehörte, der dann auch schon da wäre. Vielleicht sogar allein, ohne ihre Freundin. Oder mußte er sie vor anderen fragen, ob er sie allein sprechen dürfe?

Es war die Zeit der Propagandisten. Ein paar Stände waren da. An jedem standen Leute, die mit ihrer Gruppe, Partei oder wie auch immer sie sich nennen mochten, die einzig wahre Wahrheit verbreiteten. Die auf einen kurzen Blickkontakt hin Rolands Hände mit Flyern schwängerten. Trotzdem er kurze Gespräche mit Fremden führte, blieb er allein und einsam in der Menge. Vielleicht war er aber nur enttäuscht, daß er Schneewittchen nicht sah, obwohl er alles abgesucht hatte.

War es schlimm, daß er nicht nur gegen einen drohenden Krieg, sondern für eine Begegnung mit ihr demonstrieren gekommen war?

Sie war die Erinnerung an den Mittwoch der vergangenen Woche. Da hatte er beinahe seine persönliche Zukunft entschieden. Es war eine Schülerdemo, auf die er ohne seine Tochter gegangen war. Bei dieser Demo kam eine in jeder Hinsicht bunte Truppe zusammen. Wenige Chaoten darunter. Ansonsten Typen, denen Roland am liebsten auf die Schultern geklopft hätte. Er hatte überhaupt keine Angst vor ihnen wie meist, wenn ihm Jugendliche im Haufen gegenübertraten. Er sah sie sich an und erfand Geschichten, was es wohl für Menschen wären. Wie deren Zukunft aussehen könnte, an die er für sich eigentlich nicht mehr glaubte. Roland hätte so gerne zu ihnen gehört, die Zeiger seiner Lebensuhr rasend rückwärts gedreht. Als Jugendlicher mitgemacht.

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15. September 2008 1 15 /09 /September /2008 05:32

ls Nacht zu uns kam,

Schwarze, sternenbefleckte Nacht,

Als ein Vogel rief,

Mit der Zärtlichkeit der Steinkäuze,

 

Da lagst du mir bei.

Erdhauch stieg auf aus den

Bäumen, Ahnen von Vorzeiten.

Ein Lied aus Lindenzweigen.

 

Sonne rollte

Durch unseren Schlaf. Unsere Hände,

Träumend beieinander, fanden

Das Weiße der Nacht.

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14. September 2008 7 14 /09 /September /2008 05:06

wenn ich
wie so oft
versage
und das aus dem zylinder gezauberte kaninchen
danach
leichenstarr in stiller grube versenke
tritt sie durch eine wand

sie spricht nicht
sie lächelt voll verständnis
ihre augen locken

hab ichs nicht gleich gesagt
sie ist dabei
unendlich schön
ich kann meinen blick
nicht abwenden

wenn ich sie
anschreie
ich will dich nicht
lächelt sie

gütiger noch als zuvor
und eröffnet mir
ausblicke
auf ihre hügel und täler

fast schon so starr
wie mein kaninchen
lasse ich mich
entblößen
und sie kommt über mich

eine wohnung
in der großstadt
doch gerade
wenn mein nackter hals
sich dem biss hingibt
bekräht ein hahn
den morgen

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13. September 2008 6 13 /09 /September /2008 05:18
immer wieder
hat man dich
knapp verfehlt
nicht erschossen
nicht erschlagen
nicht gedreht

immer wieder
hast du neu gelernt
auch das gute
findet falsche führer die
wege zur wüste wenden

immer wieder
wahrtest du
wasser für
oasen im sand

irgendwann
stolpern deine beine
über den fernen
lichten horizont

an geschändetes wissen
glaubend
wünsche ich dir
erlösung
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12. September 2008 5 12 /09 /September /2008 05:13
ruhelos
durchsuche ich die räume
warte auf wiederkehr
des schmerzes

nicht liebe verbindet mich
mit ihm
dem letzten
der nicht von mir wich
dem ich vertraut

nun hat auch er
mich verlassen
und rauhfasern
verlacht mich
die tapete
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